Zu einer Beziehung gehört Streit dazu. Im besten Fall sollte er auf Augenhöhe ablaufen und ohne den anderen persönlich anzugreifen. Das funktioniert jedoch nicht immer. Manchmal ist eine andere Strategie auch, den Partner anzuschweigen.
Inspiriert durch ein Interview mit Radio Energy Zürich nehme ich das Thema Schweigen nach einem Streit in der Beziehung gerne auf und erkläre hier, wie Sie mit dem Schweigen nach einem Streit in der Partnerschaft umgehen.
5 Gründe, warum Schweigen keine gute Lösung ist
Nach einem Streit in nahezu ohrenbetäubende Stille zu verfallen, ist eher eine ungünstige Lösungsstrategie, wenn zwei Partner sich die Fortführung der gemeinsamen Beziehung auf Dauer wünschen. Die Gründe dafür sind vielseitig.
- Die Streitthemen können nicht verarbeitet werden und es findet keine gemeinsame Lösungsfindung statt. Somit bleibt ein positiver Abschluss aus.
- Gefühle wie Wut, Verletzung und Enttäuschung können nicht verarbeitet werden und lösen sich nicht einfach auf, stattdessen fressen die Partner diese Gefühle in sich hinein.
- Durch das Schweigen werden die negativen Gefühle nochmals verstärkt, weil keine Klärung stattfindet. Das ist besonders schlecht für Menschen, die dazu tendieren, Dinge zu überdenken und infrage zu stellen.
- Die Streitenden fühlen sich in ihren Bedürfnissen nach Akzeptanz und angehört zu werden nicht ernst genommen.
- Die Beziehung hat keine Chance, sich weiterzuentwickeln und zu wachsen.
Natürlich kann Schweigen in manchen Situationen auch eine gute Lösung sein. Wenn zum Beispiel die Emotionen überkochen oder man sich mit den Themen nur noch im Kreis dreht und anstatt lösungsorientiert miteinander zu reden, laut und verletzend wird. In diesen Fällen kann eine Redepause helfen. Das setzt aber voraus, dass man diese gemeinsam abgesprochen und definiert hat, wann man stattdessen gemeinsam das Streitthema besprechen möchte. So hat man die Möglichkeit, das erhitzte Gemüt abzukühlen, die Gedanken zum Thema neu zu sortieren und noch einmal durchzugehen, was der Partner mitteilen wollte oder wo das Problem liegt.
Warum schweigen wir nach einem Streit?
Das Schweigen nach einer heftigen Auseinandersetzung kann sehr unterschiedliche Ursachen haben. Manchmal dient es als eine Art Schutzmechanismus – eine Reaktion, die man erlernt hat und die davor schützt, sich noch mehr öffnen zu müssen, klar Stellung zu beziehen oder sich verletzlich zu zeigen. Auch wem es schwerfällt, seine Wünsche und Bedürfnisse mitzuteilen, wird eher die Variante des Schweigens wählen, anstatt das offene Gespräch oder die daraus folgende Diskussion zu suchen. Streiten – aber vor allem gut miteinander zu streiten – braucht Übung, Vertrauen und den Mut, sich in seiner Verletzlichkeit und mit dem, was man denkt und fühlt, dem anderen zu offenbaren. Das mag verletzlich und bedrohlich wirken, wenn man nicht das Vertrauen in den Partner hat, dass dieser nur das Beste für die Beziehung und den Partner wünscht. Schweigen kann aber auch ganz gezielt eingesetzt werden, anstatt als Schutzmechanismus zu fungieren, und dient dann der Bestrafung oder dem Liebesentzug.
Schweigen als Strafe
Durch sein Gegenüber mit Schweigen bestraft zu werden, ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Ganz besonders, wenn dies von nahestehenden Bezugspersonen wie dem Partner oder einem Familienmitglied als Strafe eingesetzt wird, hinterlässt es tiefe Wunden. Schweigen ist mit ignorieren gleichzusetzen und das wiederum bedeutet Liebesentzug. Vermittelt wird: Du bist nicht wichtig für mich, ich habe kein Interesse an dir – und das trifft mitten ins Herz. Vor allem, wenn einer der Partner wiederkehrend jedes Gespräch ablehnt, löst das oftmals Verzweiflung und eine starke Hilflosigkeit aus. Gerade die Vorsätzlichkeit der Strafe ist eine Form der Machtdemonstration, die signalisiert: Dein Verhalten ist nicht ok für mich, das passt mir nicht, funktioniere, wie ich es mir wünsche, deine Meinung hat keinen Platz hier, deine Gefühle sind mir egal, du und dein Anliegen sind nicht wichtig für mich.
Wer schweigt, bestraft jedoch nicht nur den Partner, sondern auch sich selbst. Gewinner gibt es hierbei keine. Was sich in einem solchen Fall jedoch deutlich zeigt ist, dass derjenige nicht in der Lage ist, Probleme auf Augenhöhe auszudiskutieren und nicht offen für die Bedürfnisse des anderen ist.
Schweigen Männer häufiger als Frauen?
Tatsächlich schweigen Männer mehr als Frauen und ziehen sich zurück, wenn es um Beziehungsthemen und Diskussionen geht. Das hat jedoch biologische Gründe. Oft lösen Beziehungsthemen und Diskussionen Stress beim Mann aus. Stress ist ein psycho-biologischer Mechanismus, der den Organismus mobilisieren soll, damit er belastende Situationen überstehen kann. Das hat wiederum auch Einfluss auf das menschliche Sozialverhalten, besonders auf die Bereiche Empathie und Perspektivenübernahme. Stress löst also entweder ein Angriffs- oder ein Fluchtverhalten aus. Anscheinend werden die dabei gebildeten Stoffe von Männern langsamer abgebaut, was sich auf das Sozialverhalten der Männer auswirkt, indem sie öfter schweigen.
Aber das Schweigen nach einem Streit ist selbstverständlich kein reines Männerproblem. Auch Frauen flüchten vor einer Konfrontation, weil sie Angst haben, den Kampf zu verlieren, Gefühle zu zeigen, diese zu benennen oder abgewiesen zu werden.
Ist Schweigen der Anfang vom Ende?
Ein klares Ja, denn wenn Sie den anderen nicht mehr an Ihrem Leben teilhaben lassen, findet kein Austausch mehr statt und der Anfang einer schleichenden Distanzierung beginnt.
Es geht auch ohne Schweigen!
Schweigen zerstört Ihre Beziehung, denn Sie hören auf, zu reden, es findet kein Austausch statt und die Kluft zwischen Ihnen wird grösser, verletzender und irgendwann unüberwindbar. Aber das lässt sich vermeiden.
Wählen Sie einen passenden Zeitpunkt
Wenn Sie etwas Wichtiges mit Ihrem Partner besprechen möchten, schaffen Sie dazu die entsprechende Atmosphäre. Informieren Sie vorab über Ihr Vorhaben und vereinbaren Sie einen Gesprächstermin, der für Sie beide passt. Niemand hat Lust, zwei Minuten nach dem Nachhausekommen Beziehungsthemen zwischen Tür und Angel zu besprechen und wichtige Entscheidungen zu treffen. Nehmen Sie sich Zeit und würdigen Sie somit Ihr Anliegen.
Reden Sie von sich
Niemand hat Lust, mit dem Partner ein Anliegen zu besprechen, wenn es Schuldzuweisungen und Vorwürfe hagelt. Besprechen Sie stattdessen, was Sie wahrnehmen, was es in Ihnen auslöst und was Sie sich wünschen würden. Wichtig: Bleiben Sie bei sich. Ihnen können Formulierungen helfen wie: ich habe den Eindruck …; es kommt bei mir an …; kann es sein …, was ist dein Eindruck, wie würde deine Lösung dafür klingen?
Sie müssen keine Lösung jetzt und sofort parat haben
Wenn in der Partnerschaft ein Problem besprochen wird, wünscht sich jeder schnell eine Lösung, damit sich der Alltag nicht so schwer und belastet anfühlt. Aber dadurch, dass Sie das Problem angesprochen und Ihren Gefühlen Worte und Raum gegeben haben, sind Sie schon auf dem Weg der Lösungsfindung. Manchmal braucht es auch erst eine Nacht voll Schlaf, einen Spaziergang oder den Austausch mit einer Vertrauensperson, um wieder ein Licht am Ende des Tunnels zu erkennen. Geben Sie sich und Ihrem Partner darum Zeit und erwarten Sie keine Sofortlösungen. Vielleicht ist es für Sie hilfreich, das Gespräch zu vertagen, sich Zeit zu nehmen und alles sacken zu lassen. Vereinbaren Sie einen Termin und schauen Sie mit einem klaren Kopf wie weiter.
Fazit
Schweigen in der Beziehung ist verletzend und schafft Distanz. Erst beim gemeinsamen Reden spüren Sie, wie wichtig ein Thema tatsächlich für Sie oder auch Ihren Partner ist und haben die Möglichkeit, gemeinsam diesem Problem mehr Platz zu geben, um es dann gemeinsam aus der Welt zu schaffen. Manchmal fällt es aber schwer, das eigene Schweigen verstehen und einordnen zu können und einen Weg allein herauszufinden. Wenn Sie den Wunsch haben, wieder mehr leichte Themen und gemeinsam eine beziehungsunterstützende Gesprächskultur zu erlernen oder sich selbst besser verstehen wollen und warum Sie immer wieder auf das Schweigen zurückgreifen, unterstütze ich Sie gerne in Ihrem Vorhaben.