Streit in der Beziehung: Wer kennt das nicht? Irgendwie gehört Streit zu einer Partnerschaft dazu, zumindest in einer guten Form und einer respektvollen Art und Weise. Aber wenn Beziehungsstreitigkeiten immer wieder in einen Kampf ausarten, können tiefe Verletzungen entstehen. Wie Sie beide als Sieger aus einer Auseinandersetzung hervorgehen, erfahren Sie hier.
Ist die Lösung, sich nicht zu streiten?
Streitigkeiten völlig zu vermeiden, kann keine dauerhafte Lösung sein. Denn es gehört zu einer gesunden Beziehung auf Augenhöhe dazu, sich mal zu streiten. Es ist ein Irrglaube, dass eine Partnerschaft ohne die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen und denen des Anderen gelingen kann. Oft scheitern Beziehungen an der Akzeptanz dafür, dass der Partner einfach anders funktioniert und nicht immer so reagiert, wie man selbst es sich wünscht. Das Bild von der perfekten und romantischen Liebe wird häufig von der Wunschvorstellung zerstört, eine Partnerschaft könne auch ohne Streit funktionieren. Dabei geht es viel mehr darum, eine gepflegt Streitkultur mit seinem Gegenüber zu finden, bei der sich beide gesehen, gehört und ernst genommen fühlen. Das ist aber oft gar nicht so einfach.
Im Streit aktivieren wir gelernte Muster
Simone und Christian sind seit 8 Jahren ein Paar. Bei einem Streit kommt es beidseitig immer wieder zu Vorwürfen und schweren emotionalen Verletzungen. Dabei ist es Simone, die schnell laut und fordernd wird. Christian zieht sich dann zurück und verfällt in ein tiefes Schweigen. Simone wertet dies als Desinteresse und wirft Christian vor, sich den Konflikten nicht zu stellen. Simones Angriffe sind meist unter der Gürtellinie und es ist kaum noch ein Streitpunkt in einer guten Form zu lösen. Christian zieht sich immer mehr zurück, ist im Job nicht mehr produktiv, verliert schließlich seine Arbeit. Der Psychiater diagnostiziert ein Depression.
Oft verstehen Paare wie Simone und Christian nicht, was genau in einer Streitsituation passiert. Schliesslich können Sie Konflikte im Job oder Freundeskreis gut lösen. Sie bleiben höflich, lösungsorientiert und ein Kompromiss einzugehen fällt ihnen nicht unbedingt schwer. Wenn es aber mit dem Partner zu einem Streit kommt, sieht das ganz anders aus.
Viele Paare haben ein hohes Harmoniebedürfnis und sind konfliktscheu. Diesem Verhalten liegt die Annahme zugrunde, dass wenn nicht (laut) gestritten wird, alles gut sei. Dabei entsteht aber ein negatives Familienklima, da eigene Bedürfnisse unterdrückt werden. Der innere Druck steigt mit der Zeit, und so kommt es in der Folge der Konfliktvermeidung zu Gefühlsausbrüchen (Aussenbeziehung, körperlicher und emotionaler Gewalt), nicht nachvollziehbaren Handlungen (etwa plötzliches Verlassen des Partners) und teilweise zu psychosomatischen Problemen (Kopfschmerzen, Schlafstörungen, ect.).
In unseren Partnerschaften werden die Beziehungsmuster, die wir von unseren Eltern erlernt haben, wiederbelebt. Wir nutzen altbekannte Lösungsstrategien, wenn wir keine andere Handlungsalternative gelernt haben. Wer bei seinen Eltern beispielsweise keine Nähe und Zärtlichkeit dem Partner gegenüber erlebt hat, hat meist in der eigenen Beziehung Mühe, diese anzunehmen und zu geben. Ähnlich verhält es sich mit der dem Einfordern eigener Bedürfnisse: Wer in der Kindheit eigenen Bedürfnisse zurücknehmen musste, weil die Familiensituation dies verlangt hat, hat nicht gelernt, adäquat für sich und seine Anliegen einzustehen. In der Folge werden eigenen Wünsche und Bedürfnisse zu Gunsten Anderer hinten angestellt, meist der Harmonie wegen.
Im Rahmen der Paartherapie stellte sich heraus, dass das Streitverhalten von Simone und Christian ähnlich abläuft wie in ihren Herkunftsfamilien. Beide nutzen Strategien, die sie bei ihren Eltern erlebt haben. Dies zeigte sich in der Erarbeitung der Familiengeschichte und beim Herausarbeiten der vorhandenen Muster.
Mit dem Wissen und dem Bewusstsein dafür, dass ihr Verhalten anhand ihrer Eltern erlernt worden ist, haben beide Partner die Möglichkeit, die eigenen Muster im Streit zu erkennen und bewusst zu verändern. Aktiv begleitet wird dies durch die gemeinsame Paartherapie. Simone und Christian lernen neue Handlungsstrategien und Alternativen kennen und können das gewohnten Streitverhalten langsam verändern.
Nach einiger Zeit der gemeinsamen Arbeit hat Christian gelernt, eigene Bedürfnisse in Worte zu fassen. Gemeinsam mit Simone hat er nun Kompetenzen erworben, um die Rahmenbedingungen für ein konstruktives Gespräch zu ermöglichen.
Und so funktioniert's: Konflikte konstruktiv lösen
1. Beruhigen Sie zunächst Ihre Gemüter. Verlassen Sie dazu wenn nötig die Streitsituation.
2. Nehmen Sie sich Zeit für Ihr Anliegen.
3. Kündigen Sie das Gespräch an bzw. vereinbaren Sie gemeinsam einen Termin.
4. Führen Sie ein Gespräch statt zu streiten.
5. Schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre.
6. Halten Sie sich an folgende Grundregeln der Kommunikation:
- Sprechen Sie von sich: Was nehmen Sie wahr, was löst das Verhalten des Gegenüber in Ihnen aus und was wünschen sich?
- Verzichten Sie auf Abwertungen und Bewertungen, Augenverdrehen, verächtliches Stöhnen oder Ähnliches.
- Hören Sie aufmerksam zu und fragen Sie bei Unklarheiten nach. Wiederholen Sie Gehörtes mit Ihren eigenen Worten, um Missverständnisse zu vermeiden.
7. Sollten Sie keine Lösung für Ihr Anliegen finden, vertagen Sie das Gespräch. Besprechen Sie das Problem nach etwa 2 Tagen mit gewonnenem Abstand erneut.
Miteinander statt Gegeneinander
Es gibt immer wieder Themen, die sich einfach nicht friedlich klären lassen, wie zum Beispiel ein Betrug oder ein Vertrauensmissbrauch. Es gibt Dinge, über die wir in Streit geraten, egal ob wir uns lieben, eigentlich eine konstruktive gemeinsame Streitkultur haben und grundsätzlich gut miteinander umgehen. Aber oft gerät man im normalen Alltag in Situationen, in denen man sich überlegen sollte, ob sich diese oder jene Streitigkeit wirklich lohnt. Muss man jede einzelne Situation oder jedes Thema wirklich so hoch bewerten und einen Streit daraus entstehen lassen?
Wenn jede Kleinigkeit zu einem Kampf ausartet, kann keiner von Ihnen gewinnen. Wägen Sie ab, ob es das für Sie wirklich wert ist. Müssen Sie tatsächlich immer das letzte Wort und das Ziel haben, den Sieg zu erreichen? Müssen Sie jede Ihrer Auseinandersetzung wirklich führen, weil es um ein für Sie wichtiges Thema geht? Oder könnten Sie vielleicht vorher überlegen, ob Sie nicht etwas wohlwollender miteinander umgehen könnten? Gutes Gelingen.